Seit Aschermittwoch hängt nun wieder unser neues Fastentuch vor dem Hauptaltar. Gestaltet würde es, wie auch schon in den letzten Jahren von der Künstlerin und Pfarreimitglied Sylva Pauli.
Aber lesen Sie selbst, was die Künstlerin zu diesem Fastentuch inspiriert hat.
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Sehr geehrter Pater Lothar,
liebe Schwestern und liebe Brüder,
ich möchte mich herzlich bei Ihnen für Ihre schon neunte Einladung zur Gestaltung des Fastentuches 2025 bedanken.
Ich habe heuer ein Bild mit dem Titel „Kopfbrücke“ aus meiner Serie Brücken gewählt.
Brücke ist eine spezielle Konstruktion, die gegenüberliegende ungleiche Ufer verbindet. Wie ungleich können eigentlich diese Ufer sein? Zwei gegenüberliegende Ufer berühren in diesem Punkt eine gewisse Dualität dieser Welt. Die Nummer Zwei hat nämlich eine völlig einmalige Position. Man muss sich nur ein bisschen umschauen. Linke und rechte Seite. Zwei Hände, zwei Füsse, zwei Augen, die die Welt dreidimensional erscheinen lassen. Mann und Frau, zwei Menschen, bilden ein Paar. Elektronen Plus und Minus. Wirklichkeit und Spiegelbild. Traum und Wachzustand. Sieger und Verlierer. Auf der Brücke, unter der Brücke (diese zwei Lagen sind zwar keine Ufer, sondern zwei strategische Positionen). Tag und Nacht. Liebe und Hass. Himmel und Hölle. Diesseits und Jenseits. Der Anfang und das Ende. Diese Dualität des Ungleichen und doch Verwandten hat gerade die einzigartige Verbindung über eine Brücke. Die Brücken können sichtbar sein, aber auch unsichtbar in uns selbst ruhen. Es hängt eben davon ab, welche Art von Ufern und Lagen sie konkret verbindet.
Eine Brücke hilft immer bei einer Überwindung eines unzugänglichen Terrains, oft über eine Demarkationslinie. In der Landschaft fließt ein Fluss darunter. In der Seele heißt es, mit der inneren Brücke überwinde ich mich selbst. In der Diplomatie heißt es, einen neuen Weg zu finden oder zu legen. Ich halte das Bauen von Brücken für eine positive schöpferische Tätigkeit (solange man es gut kann). Es wird etwas Neues, Schönes, Notwendiges und Nützliches geschaffen. Es kommen im Leben jedoch Situationen und Umstände, wann man die Brücken definitiv abbricht und dahinter nur verbrannte Erde hinterlässt.
Es gibt eine einzige Brücke, die mit absoluter Sicherheit niemand abbrechen kann. Es ist die Verbindung zwischen Diesseits und Jenseits. Die höchste Gerechtigkeit, sagt man. Das ist die Kopfbrücke wie ein Kopfbahnhof. Man kann durch einen Kopfbahnhof nicht durchfahren. Dort ist die Endstation, die definitive Änderung in eine andere Richtung. Aber sind dort nicht auch noch andere Brücken? Seit mehr als 2000 Jahre ist dies das große Thema zur Ostern, die Auferstehung. Die anderen Welten hinter, über oder rund um unser Weltall sehen wir nicht. Wir spüren jedoch ihre Herrlichkeit. Die Brücken sind eben immer zwei, hin und her. Unsere Lieben und Liebsten kommen darüben her aus dem Jenseits, reden uns an und gehen wieder zurück. Diese Brücken sind Seine Wege. Wie öffnet sich so eine Brücke? Dazu könnte man die Anleitung zur Zauberei à la Franz Kafka über die Herrlichkeit des Lebens brauchen.
Zitat:
„ Es ist sehr gut denkbar, dass die Herrlichkeit des Lebens um jeden und immer in ihrer ganzen Fülle bereit liegt, aber verhängt, in der Tiefe, unsichtbar, sehr weit. Aber sie liegt dort, nicht feindselig, nicht widerwillig, nicht taub. Ruft man sie mit dem richtigen Wort, beim richtigen Namen, dann kommt sie. Das ist das Wesen der Zauberei, die nicht schafft, sondern ruft.“
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.