Heute im Sonntagsgottesdienst gab uns die Künstlerin, Frau Sylva Pauli selbst einen Einblick in Ihre Gedanken auf deren Basis Sie das diesjährige Fastentuch gestaltete.
Liebe Schwester und Brüder,
ich möchte mich bei Ihnen für Ihre Einladung zur Gestaltung des Fastentuches 2023 und Ihr Verständnis für das Zitat von Franz Kafka, der mich zur Schaffung dieses Bildes inspirierte, sehr bedanken. Ich erlaube mir nun dieses Zitat vorzurlesen:
——————————————————————————————————————–Vor dem Betreten des Allerheiligsten mußt du die Schuhe ausziehn, aber nicht nur die Schuhe, sondern alles, Reisekleid und Gepäck, und darunter die Nacktheit, und alles, was unter der Nacktheit ist, und alles, was sich unter dieser verbirgt, und dann den Kern und den Kern des Kerns, dann das Übrige und dann den Rest und dann noch den Schein des unvergänglichen Feuers. Erst das Feuer selbst wird vom Allerheiligsten aufgesogen und laßt sich von ihm aufsaugen, keines von beiden kann dem widerstehen.
Franz Kafka, 25.01.1918
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Ein Gespräch zwischen Gott und Mensch befindet sich in einer äußerst abstrakten Ebene, die man doch besonders mit Kunst andeuten kann. Mein Fastentuch heuer errinert in seiner Symmetrie an eine Spielkarte. Spiel ist etwas Unvorhersehbares, Spannendes und gleichzeitig stellt es die Hoffnung dar auf einen positiven Ausgang, vielleicht auch Sieg, weniger natürlich auf eine Niederlage. Vieles davon liegt eben in seinen Händen. Er ist in unserer Welt überall anwesend, trotzdem schauen wir zu ihm hinauf. Seine Position im Bild in der Form eines Umrißes ist also oben. Der Mensch steht mit ihm auf der Augenhöhe, jedoch im Bild auf einer gemeinsamen vertikalen Achse unten. Obwohl wir also zu Gott hinauf zum Himmel sehen, sind wir fest mir der Erde verbunden. Aus diesem Grund habe ich für das Symbol des Feuers ein Bild des Grases gewählt, das eben aus der Erde wächst. Die horizontale Achse errinert an die Scharen von Schafen in der Bibel.
Wir alle leben unser Leben mit bestimmten Plänen, Wüschen, Zielen, Freunden, Enttäuschungen, Glück und wieder Plänen. Ich habe, besonders während meiner künstlerischen Arbeit, erkannt, dass ich mir zwar etwas vorstellte, aber im gewissen Moment kam eine Wende, ein neuer Impuls, der meine Vorstellung in eine völlig unerwartete Richtung führte. Oft habe ich mir gedacht, es ist so anders, es kann eigentlich nicht aus meinem Kopf sein. Das Drucken eines Bildes ist ein dynamischer Prozess, der mehrere Tage dauert, genauso die Vorbereitung der Blechplatten vorher. Ganz wichtig dabei ist das Aussteigen aus der Realität, weg von Plänen und Wünschen. Es sind wie die Schuhe und das Reisegepäck von Franz Kafka. Man muss sie ablegen.
Die Konzentration unterstützt das maximale Streben nach Genauigkeit auf Hunderstel des Millimeters und der Pigmentierung der Farben. Die dauernde Konzentration führt allmählich dazu, dass man aus sich selbst aussteigt. Man nähert sich seinem Kern. Es ist ein Zustand der Seele, der tatsächlich eine Kommunikation mit dem Allerheiligsten erlaubt. Es entsteht ein Gefühl von tiefen Frieden und Glück.
Nichts ist jedoch einfach. Die Genauigkeit braucht auf bestimmter Stufe verschwommen zu werden, um das Bild lebendig zu erhalten. Die notwendige Ungenauigkeit ist eine Balance zwischen Hartnäckigkeit und Leichtigkeit. Es muss nicht alles gesagt werden. An dieser Stellen nähert man sich der Flamme .
Meine letzte Erkenntniss ist die Wahrnehmung des Unvollendeten. Es gehört auch zum Leben und zu diesem Bild.